Sex im Sachcomic III: Queer – eine illustrierte Geschichte
Was ist eigentlich dieses “queer”? Einfach ein anderes Wort für lesbisch, schwul, bisexuell (trans, inter). Oder umfasst es noch mehr? Ist es vielleicht auch eine Bezeichnung für Menschen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen (gender-queer)? Oder geht es hier um Theorien, die uns irgendwie dazu bringen können, anders über Sexualität, sexuelle Orientierung und Geschlecht zu denken? (Spoiler: es ist irgendwie alles) Ich hab mich da lange nicht ausgekannt und ich dachte ehrlich gesagt auch, dass es schwierig sein müsste, sich da einigermaßen auszukennen und man ziemlich viele ziemliche schwierige Bücher lesen müsste, um einen Überblick zu bekommen.
Dann bin ich zufällig in meiner Buchhandlung über “Queer- eine illustrierte Geschichte” von Meg-John Barker und Julia Scheele gestolpert und bin auf der U-Bahn-Fahrt zurück so darin versunken, dass ich meine Ausstiegshaltestelle verpasst habe. Dabei handelt es sich dabei gar nicht um eine Geschichte, eine Graphic Novel; sondern um ein Sachbuch. Um ein Sachbuch mit Bildern, und zwar mit Bildern, die so illustrativ sind, dass sie immer wieder vor meinem inneren Auge auftauchen, wenn ich mich an ein bestimmtes Thema, eine bestimmte Theoretiker*in oder einen bestimmten Aspekt von Queerness, queeren, Queer-Forschung oder Queer- Theorie erinnere.
Auf jeder Seite (manchmal auch Doppelseite) wird ein Thema behandelt: mit einem Text und ein bis zwei Zeichnungen, die meist Sprechblasen enthalten, die die zentralen Aussagen einzelner Protagonist*innen und Theoretiker*innen zusammenfassen. Da geht es um die Geschichte der Sexualwissenschaften und welche Türen (Denkräume) da jeweils geöffnet und geschlossen wurden, um Geschichte und Protagonist*innen von Queer-Theorie, um die Kritik an festen Identitätskonzepten, um Körper, Macht, Film und Camp, um kritische Sexologie, Rassismus, Klassismus, Bisexualität und Kink.
Um Sexualität geht es dabei nicht immer, aber wenn dann mit einem deutlich weiteren Fokus, als ich gedacht hätte. Inwiefern ist beispielsweise Kink (BDSM) queer? Und was heißt es, Sexualität von den Rändern her zu denken? Kategorien von normal und abnormal (Krank, gestört, ungewöhnlich…) aufzugeben? Kategorien und Identitäten generell zu hinterfragen? Welche Türen öffnet das und wer könnte sich dadurch potentiell bedroht fühlen? Indem das Buch diese Themen anreißt, vermittelt es gleichzeitig das Rüstzeug, zu verstehen, worum es bei modernen Debatten um Gender, Homosexualität, Identitätspolitik und Feminismus geht. Ohne, dass man eine ganze Bücherei gelesen haben muss – aber vielleicht mit dem neu erwachten Wunsch, die eigene selbige um ein paar Klassiker der Queer-Theorie zu ergänzen.
Queer- eine illustrierte Geschichte ist im Unrast-Verlag (der mir freundlicherweise eine Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat) erschienen und kostet circa 17 Euro.
Kommentieren